Vom Schrecken der Erkenntnis und dem Wesen der Homöopathie, von Sein und Endlichkeit

 

Eine astrologisch homöopathische Betrachtung

 

 

Es wurde in der Geschichte schon von einigen das Bild dargelegt, Gott habe aus Gnade die Wirklichkeit vor der menschlichen Erkenntnis verborgen. Es scheint da etwas zu sein, das der Mensch - würde er es wissen - nicht mit seinem Leben vereinbaren zu können glaubt. Daß aber Gott es war, der dies verbarg, erscheint uns nicht plausibel; warum sollte Gott seine eigene Schöpfung verbergen?! Eher ist es wohl der Mensch selbst, der nicht wissen will. Das Nicht-Wahrgenommene und dessen Folgen sammeln sich kontinuierlich an.

Das selbstverständliche Sprechen von einem Gott hingegen ist wohl die plausibelste aller Weltursprungsvarianten, denn nur am anlaßlosen, bedingungslosen Beginn aus sich selbst kann ein echter Anfang geschehen (sein). Alle anderen Hypotheseni sind intellektuelle Spitzfindigkeiten oder Konstruktionen, die letztlich, wenn überhaupt, den Anfang der Welt nur undefiniert weiter nach hinten verschieben.

Den Schrecken der Erkenntnis der Wahrheit malt die Apokalypse aus, die im Christlichen "Offenbarung" und im Griechischen "Enthüllung" bedeutet.

 

Um die Enthüllung werden vielerlei Bilder gemalt, von Gut und Böse ist die Rede, von Sieg im ewigen Leben und Untergang in Qual. Solchen Bildern ist gemein, daß sie für eine Gruppe gut enden, und eine andere Gruppe den Schrecken bekommt. Dies ist offensichtlich eine externalisierende Kompensation: Die Subjekte versuchen, ihren übermächtigen Willen zum Leben, und dazu auch ihr Bedürfnis nach Absicherung als Gruppe, in der Belohnung im ewigen Leben zu befriedigen, und zugleich sich des Übels durch Übertragung auf eine unwerte Gruppe zu entledigen.

 

Der Subjekte mächtiger Wille zum Leben will nicht wissen, was ihm in sich selbst entgegen stehen könnte, alle Erklärungen sind auch unter diesem Licht zu betrachten.

 

Läßt man die moralisieren Aspekte beiseite, so stellt sich die Frage:

 

Welche Wahrheit zeigt einen Aspekt der Seinsordnung, der so schrecklich, daß er nicht mit dem Leben vereinbar scheint?

 

Es liegt ein Grundkonflikt im Dasein: Wegen seines unbedingten Ursprungs ist das Sein nur positiv zu denken, alle seine Formen und sein Sinn sind positiv, eben Sein - denn daneben gibt es nichts. Es gibt neben dem Sein kein "zweites" Sein, also auch kein "Nichts". So ist im Dualen die Ordnung des Seins das Gute, und nur seine Verneinungen sind das Böse. Das Böse existiert aus sich nicht, es existiert nur als Verneinung der Bestimmungen des Seins. Ebenso verhält es sich mit dem Sein selbst, das Nicht-Sein existiert aus sich nicht, es ist nur die Verneinung des Seins. Und so existiert letztlich nur das Sein. Deshalb kann es im Sein auch nur Seinsbejahung geben, nur Liebe und Unterstützung, und deren Verneinungen.

 

Der Grundkonflikt ergibt sich aus und im zwangsläufig absoluten und allmächtigen Wesen des ersten Ursprungs. Das Wesen des Ursprungs vermag alles (allmächtig), nur eines vermag es nicht: Nicht-Sein (ein logischer Widerspruch zur Allmächtigkeit).

Dieser Konflikt spiegelt sich auch in den Subjekten: Das Absolute des Seins findet seine Ausdrucksform im mächtigen Willen zum Leben. Gleichzeitig bewegt sich jedes Subjekt als Endliches auf den Tod zu. Die Endlichkeit steht im Widerspruch zur Positivität und Absolutheit des Seins, dem gemäß das Nicht-Sein nur eine Verneinung des Seins sein kann. Wo es kein Nicht-Sein geben kann, ist folgerichtig eine Lösung des Problems des Todes das christliche Bild des Ewigen Lebens (der Überwindung des Todes). Ein anderes Bild ist die Wiedergeburt, die den Tod (das Nicht-Sein) als Wandlungsphase des Seins darstellt. Auch das ist in Hinsicht auf einen absoluten Ursprung logisch und folgerichtig.

 

Dabei spielt es gar keine Rolle, was man als Ort der Wahrnehmung des Weltgeschehens ansieht.

Letztendlich hängt alles davon ab, was man als Ort des absoluten ursprünglichen Wesens ansieht: ist es die Welt (Heidentumii) oder ist es das Individuum (Buddhismusiii und Christentumiv).

 

In jedem Fall aber muß das Individuum als Subjekt diesen Konflikt in sich austragen.

Man muss wohl konstatieren, daß man am Ende noch am ehesten noch auf die Wirklichkeit der eigenen Wahrnehmung setzen kann; die Wirklichkeit jeder Außenwelt ist noch spekulativer - dies spricht rational eher für das Weltbild des Buddhismus.

 

In Hinsicht auf den Grundkonflikt der Seinsstruktur wird nun klar, daß das Sein seinem Wesen nach nur ewig sein kann.

Das bedeutet auch, daß Endlichkeit als Tod nicht dem Wesen des Seins entspricht, sie kann kein positives Element des Seins sein, also kein logisch-kohärenter Bestandteil der Seinsstruktur. Dies spiegelt sich im Verhalten der Menschen. Sie verhalten sich so, als wären sie unsterblich, und sie unternehmen größte Anstrengungen, um ihre Endlichkeit zu vermeiden. Dabei verhalten sie sich offensichtlich höchst irrational, denn zum einen ist die Endlichkeit aller Wesen unvermeidbar, zum anderen ist das Sein als Absolutes notwendig ewig.

 

Da Endlichkeit offensichtlich ein unlogischer Bestandteil des Seins ist, stellt sich die Notwendigkeit einer Erklärung für diesen Konflikt.

 

Um es mit einem einfachen Bild zu versuchen: was wäre, wenn das absolute, allmächtige, zeitlose Wesen des ersten Anfangs des Seins müde werden würde - müde zu sein. Dies wäre der einzige Fall, wo es (fast) machtlos wäre, denn es kann ja nicht Nicht-Sein, ist es doch allmächtig und grenzenlos. Ohne Allmächtigkeit könnte die Welt mangels Ursprung nie existiert haben, fiele doch die Möglichkeit des Ursprungs aus sich selbst weg - ein logischer Widerspruch.

 

Eine Lösung wäre die, daß das Wesen des Ursprungs des Seins sich gewissermaßen durch "Veräußerung" als oder mit Welt ins Unendliche hinein auflöst, verschwindet. Man könnte so sagen: der Wille Gottes ist es, sich aufzulösen. Und dies spiegelt sich im Element der Endlichkeit, die nun so ins Sein kommt, genauso wie in der Ausdehnung des Universums, das sich gewissermaßen in Unendlichkeit hinein "verdünnt"v .

 

// Auflösung und Verdünnung sind die (Er-)Lösungen des positiven, ewigen Seins.

 

// Die Prinzipien von Sein und Endlichkeit spiegeln sich als Ordnung (Rhythmus) und Auflösung (Verdünnung) in der Methode der Homöopathie.

 

// In der Astrologie wird dieses Bild der Beziehung von Sein und Auflösung dargestellt durch die Zeichen Widder und Fische, als Welt das Seins in Endlichkeit; dargestellt im Aszendenten, der Trennung von Haus 12 und Haus 1.

 

Nun mag eine der Wahrheiten der Offenbarung die Frage der Anwesenheit Gottes berühren.

So sich nun der Schöpfer mit Welt in Unendlichkeit hinein auflöst, stellt sich die Frage: Ist er (noch) anwesend, oder nicht?

 

Die These von der Anwesenheit des Schöpfers erschafft große ethische und logische Probleme, die meist mit allerlei, sophistischer Denkakrobatik umschifft werden sollen.

Es sind insbesondere zwei zusammenhängende Erklärungen, die so unplausibel und unlogisch sind, daß man sie letztlich nicht verstehen und sie nur dogmatisch glauben könnte:

 

Wenn der allmächtige Schöpfer anwesend ist, warum erschafft er dann eine Welt, die so ungerecht und gewalttätig sein kann, wie sie es ist? Warum lässt er das zu?

Erklärungen dazu berühren meist die zweite Frage: wie kann der Mensch frei sein, wenn er doch von einem Schöpfer erschaffen wurde? Auch dies ist offenbar unlogisch, denn Freiheit und Fertigung schließen einander aus.

 

Aber klar ist, wenn der Mensch nicht frei wäre, dann wäre Gott an allem Schuld, und jegliches menschliches Wollen wäre sinnlos.

 

Im Christentum wird dies mit der gewagten These des Dialogs Gottes mit dem Individuum erklärt. Das Individuum wird im Erschaffen zugleich schon angerufen, und kann dann schon aus freiem Willen, den es bekommen hat, dem Ruf Gottes ins Leben antworten.

 

Dagegen hielt die Gnosis, eine Ideenströmung des Christentums in einer Zeit, als es noch fließend und nicht orthodox war, Gewalttätigkeit und Ungerechtigkeit des Seins für unvereinbar mit einem anwesenden Gott. Sie hielten den Gott und Schöpfer der Erde für offensichtlich böse, und sahen den absoluten Schöpfer des Universums vom irdischen Schöpfer getrennt und ohne Einfluss.

 

Die Anschauung der Gnosis war schon die eines absoluten, aber fernen Schöpfergottes (u.a. deshalb wurde die Gnosis vom Christentum verworfen).

 

Eine solche Einführung von zwei Göttern verschiebt nur die notwendige Existenz eines ersten, schöpferischen, bedingungslosen Anfangs aus sich selbst.

 

Dagegen das Bild des sich auflösenden Gottesvi :

So nun die Welt eine sich in Unendlichkeit hin auflösende ist, und so man dies als Zeichen eines sich auflösenden Gottes sehen will, so könnte man deuten: das Ziel des Seins ist die Endlichkeit durch Auflösung, und dies ist auch das Ziel des Schöpfers. So könnte man sagen: in einer sich ausdehnenden Welt ist der Schöpfer in Auflösung, ja, die Welt ist ein Zeichen der Veräußerung des Schöpfers mit dem Ziel der Endlichkeit. Der Schöpfer ist (noch) anwesend, aber er ist ein zunehmend entschwindender....

 

Ein solches Bild würde manche logische Erklärungsakrobatik beenden, es wäre in sich stimmig und schlüssig, es würde der Frage nach dem notwendig absoluten Ursprung nicht aus dem Wege gehen.

 

Das Wesen der Endlichkeit ist vor dem Hintergrund des absoluten, ewigen Seins zu sehen. Darin wird die Endlichkeit zum höchsten Gut, dem man sich nur annähern kann durch Auflösung in Unendlichkeit.

 

Doch liegt ein solches Bild hinter dem Schleier der Subjekte. Sie fürchten sich, das positive Sein als Absolutes zu verlassen.

 

 

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© Daniel Menz 2021

 

 

Anmerkungen

 

i Hypothesen zum Ursprung der Welt: Agnostizismus, der sich weigert, eine Plausibilitätsbewertung durchzuführen, ist gleichzusetzen mit Ignoranz, und muss deshalb hier wegen Bedeutungslosigkeit keine Beachtung finden. Man treffe keine Aussage, da kann man nichts falsch machen...

ii Im Heidentum, bei dem die Individuen in der sozialen Ordnung der Gesellschaft aufgehen. So strebt auch die moderne Welt, die in der Auflösung der sozialen Hierarchien "atomisierte" Einzelwesen erzeugt, nach einer Auflösung der Einzelnen im Sozialen. Es ist die alte Heidnische Neigung der Massen zum Totalitarismus, der ihnen eine zukünftiges, gemeinschaftliches Ziel als Ausweg aus der Vereinzelung verspricht (H. Arendt).

iii Zum Buddhismus (Übersetzung vom Verfasser):
aus: MANUAL OF BUDHISM. Spence Hardy , London 1853
>>Die großen Prinzipien des Buddhismus wären vollständig ohne die Existenz irgendeiner anderen Ordnung von Wesen neben denen, die unsere Erde bewohnen und mit den Sinnen wahrnehmbar sind; und es würde besser mit dem Genius des von Gotama vertretenen Systems übereinstimmen, anzunehmen, dass er, wie andere Skeptiker, weder an Engel noch an Dämonen glaubte, als sich vorzustellen, dass die Zuschreibungen der Dewas und anderer übernatürlicher Wesen, denen wir in Werken, die als buddhistisch bezeichnet werden, begegnen, bei seiner ersten Verkündung bekannt waren. Alle Berichte über seine Unterredungen mit Dewas und Brahmas, sowie jene, die diese Wesen so darstellen, dass sie seinen Worten zuhören und ihm huldigen, müssen, das muss nicht extra erwähnt werden, das Produkt eines jüngeren Zeitalters sein.<< S. 40/41

iv Christentum der ersten Jahrhunderte glaubte an den baldigen Untergang der Welt. Es war im Gegensatz zum Heidentum kritisch und distanziert gegenüber der Gesellschaft, gegenüber den gesellschaftlichen Autoritäten und gegenüber der Welt.
Insbesondere auch die Konzentration des Bewußtseins des Individuums auf seine (persönliche) Beziehung zu Gott gibt dem ursprünglichen Christentum einen idealistischen Charakter, ähnlich wie auch der ursprüngliche Buddhismus den ersten Ursprung der Welt im Individuum selbst findet.

v Streng genommen kann man nicht selbstverständlich Schöpfer und Welt gleich setzen. Doch im speziellen Fall, dem ersten, bedingungslosen Anfangs aus sich selbst, müssen Sein und Schöpfer in Einem sein - andernfalls gäbe es mehrere Sein, und es wäre eben kein erster Anfang des Seins mehr. Deshalb:
denkbar wäre, daß die Welt verschwinde, aber Gott besteht. Undenkbar ist, daß Gott verschwinde, und die Welt besteht. Das schließt wieder den Kreis zu den Fragen, warum ein Schöpfer eine solche ungerechte und gewalttätige Welt erschaffen sollte. Das ist nicht plausibel, denn andere Rahmenbedingungen und Strukturen, wie z.B. die Schwerkraft oder Freude, waren ja auch möglich.

 

vi das Bild des sich mit der Welt in Unendlichkeit hinein auflösenden Gottes.
Dies würde grundlegende Widersprüche des Seins auflösen und erklären:
Die notwendige Anwesenheit eines absoluten Schöpfers, und zugleich seine offensichtliche Abwesenheit in der Welt, die sich auch in Ungerechtigkeit und Gewalt äußert.
Auch klärt sich die Frage, was Endlichkeit bedeutet; und es wird klar, wie töricht es ist, diese zu vermeiden zu suchen, vergleichbar Sisyphos, der niemals den Fels zum Gipfel bringen will. Aus Furcht vor der Endlichkeit verbleibt er lieber in Qual in der Unterwelt.